Historie

Wie alles begann!

Die Allgemeine Schützengesellschaft Kirchhellen trägt in ihrem Wappen das Jahr 1585. Das bedeutet jedoch nicht, dass auf dieses Jahr die Gründung einer Schützengilde, eines Vereins oder einer Gesellschaft, wie wir sie in der heutigen Form kennen, zurückzuführen ist. Dazu stand den Leuten zur damaligen Zeit nicht der Sinn. Die Zeit war von Armut geprägt. Der geschichtliche Hintergrund ist stark mit der Historie Kirchhellens verbunden. In der Chronik der Schützengesellschaft wird also immer auch die Chronik Kirchhellens erläutert.

 
Geschichtlicher Rückblick

Wie begründet sich das Jahr 1585 als Ursprungsjahr der Schützengesellschaft Kirchhellen?

Erstmals wird die Kirche in „Hillen“ um 1032 urkundlich erwähnt und namentlich in einer Urkunde beschrieben, die um 1160 von Aedituus Theodrich in der Abtei Deutz verfasst wurde.

Aus dieser geht hervor, dass der Ort „Hillen“ bereits zur Klostergründung im Jahr 1002 der Abtei Köln Deutz angehörte. Hieraus ist zu schließen, dass es in Kirchhellen bereits im 9. Jahrhundert eine Kirche gab. Des Weiteren besaß die kölnische Kirche um diese Zeit einen Oberhof in Kirchhellen. Die Kirche in Kirchhellen gehörte bis 1803 dem Fürstenbistum Köln an.

Im Jahr 1800 schrieb ein Pastor Alterauge in einem Bericht über die Entstehung von St. Johannes, dass die Kirche 1447 gebaut bzw. vergrößert worden sein soll. Der älteste Teil dieser Kirche stammt vermutlich aus der Zeit um 1200 – 1250. Die Kirche stand bis zum Brand im Jahre 1917, unter mehreren kleinen Änderungen, immer am Alten Kirchplatz. Es gab also schon frühzeitig eine Ortschaft Kirchhellen deren Zentrum die Kirche am Alten Kirchplatz war.

Zwar sagt uns die Chronik nichts darüber, dass bereits zur damaligen Zeit ein Schützenfest gefeiert wurde. Sicher ist jedoch, dass in den kriegerischen Verwicklungen des Mittelalters auch die wehrhaften Bürger Kirchhellens zur Verteidigung aufgerufen wurden. Im 16. Jahrhundert ließ beispielsweise Georg von Brabeck aus jedem Kirchspiel „eine Rotte der dienstlichen Bauern“ aufbieten, die Besatzungen der Burgen zu verstärken. Aus dieser  Zeit stammt auch der Brauch des sogenannten „Schafholens“ der Dorstener Schützen (s.u.). Ein weiterer Beweis dafür, dass schon vor rund 400 Jahren in Kirchhellen Schützenfeste gefeiert wurden, ist das Mittelschild der alten Schützenkette.

Es trägt die Umschrift: C e r s p e l l  K e r k k e l l e n

Zu dem Kirchspiel Kirchhellen gehörten auch schon zur damaligen Zeit das Dorf Kirchhellen und die Bauernschaft Feldhausen, Overhagen, Holthausen, Hardinghausen, Eickel.

Die Schreibweise „Kerkhellen“ erscheint nur in Schriften des 16. Jahrhunderts. Vor dieser Zeit wurde der Ort Hillen oder Hellen genannt. In der Zeit danach spricht man von Kerchhellen bzw. Kirchhellen.

Die Ursprungsgeschichte der Kirchhellener Schützen ist auf das Jahr 1585 zurückzuführen und eng mit dem so genannten Kölner Krieg von 1582-1587 verbunden.

Nach den geschichtlichen Überlieferungen war das Jahr 1585 eine Bewährungsprobe für das Gemeinwesen. Wir haben über Einzelheiten dieser Zeit jedoch sehr wenig fundierte Informationen.

Nach der Reformation wechselten auch in Westfalen kleinere Grafschaften zum Luthertum. Diese Entwicklung gab es am Niederrhein durch den Einfluss der Niederlande. Die Niederländischen Provinzen waren bereits vor 1548 zum Luthertum gewechselt. Die Konflikte mit dem unter spanischen Einfluss stehenden katholischen Einflussbereich waren unausweichlich.

Das Jahr 1566 war ein Epochenjahr für die Niederlande aber auch eines für Westfalen. Der Aufstand der niederländischen Stände unter Führung von Prinz Wilhelm von Oranien gegen die spanische Weltmacht schlug sich in zahlreichen Militäraktionen auf rheinischem und westfälischem Boden nieder. Es zogen immer wieder Truppen am Niederrhein bzw. in Westfalen ein, da im Gegensatz zu vielen ausgezehrten niederländischen Gegenden reichliche natürliche Ressourcen wie Lebensmittel, Kleidung und Pferde vorhanden waren.

Im Jahre 1583 eskalierte der Konflikt zwischen dem Kölner Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg und dem Domkapitel bzw. der römischen Kurie zum offenen Krieg.

Der 1577 gewählte Kurfürst und Erzbischof von Köln, Gebhard Truchsess von Waldburg, hatte im Jahre 1582 die Konfession gewechselt, um die protestantische Gräfin Agnes von Mansfeld heiraten zu können. Und damit fing auch für den hiesigen Raum das Übel an.

Gebhard Truchsess von Waldburg versuchte sein Erzstift protestantisch werden zu lassen, was im Widerspruch zum Reichsrecht stand und zu seiner Absetzung führte.

Da er sich im Erzstift Köln gegen den Willen des Domkapitels und der Rheinischen Landstände nicht halten konnte, wandte er sich um militärische Unterstützung an die Niederländer. Damit wurde unsere Region in den Freiheitskampf der Generalstaaten mit den Spaniern, die den 1583 gewählten Erzbischof Ernst von Bayern zur Hilfe riefen, hineingezogen.

Der Krieg wurde auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. Beide Parteien plünderten, raubten, erpressten und schändeten die Bewohner der Region in gleicher Weise. Dieser Krieg wäre bereits 1584 zu Ende gewesen, hätte ihn nicht Schenk zu Nideggen als Truchsessischer Truppen- und Partisanen-Führer in Gang gehalten.

Der Söldnerführer, Obrist und kurkölnische Feldmarschall Martin Schenk von Nideggen (1549-1589), der aus einer Nebenlinie einer ursprünglich im Eifelgebiet, später an der Maas, im Gelderland und im Herzogtum Jülich angesessenen Adelsfamilie stammte, war seinerzeit aller Welt bekannt. Mehrfach hatte er die Parteien gewechselt: zunächst kämpfte er auf Seiten der Aufständischen, um sich 1577 den Spaniern zuzuwenden. Seit 1585 findet man ihn wieder in Diensten der Niederländischen Generalstaaten und des abgesetzten Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Gebhard Truchsess von Waldburg. Der englische Statthalter und Favorit Elisabeths I., Robert Dudley, Graf von Leicester, hatte ihn 1586 sogar zum Ritter des Hosenbandordens geschlagen.

Martin Schenk von Nideggen zog 1585 mit seinen Söldnerknechten in das Vest Recklinghausen ein. Im Dezember 1585 bedroht Martin Schenk mit seinen Truppen Dorsten. Die Stadt Dorsten schloss aber ihre Stadttore und nahm ihn nicht auf. Nun hausten seine Banden auf dem flachen Land, insbesondere im Raum Ekel und Hardinghausen und plünderten von hier aus auf den Höfen in der Umgebung Lebensmittel und alles was sie gebrauchen konnten.

Auf Befehl von Georg von Brabeck, dem damaligen Statthalter des Vestes Recklinghausen, schlossen sich die Kirchhellener Bauern zusammen um die Schanzen bei Kirchhellen zu verteidigen und ihr Hab und Gut zu Schützen.

Doch die Rotte dienstlicher Bauern wurde von den Truppen des Schenk von Nideggen überrannt, und die Burg Brabeck ging in Flammen auf.

Auf den Hilferuf der Kirchhellener Bauern standen die Dorstener Schützen ihnen bei, und gemeinsam wurden die plündernden Horden zurückgeschlagen.

Im Jahr 1586 unternimmt Martin Schenk einen weiteren Versuch Dorsten einzunehmen. Doch auch dieser Versuch scheitert.

Ebenfalls im Jahre 1586 begann Schenk von Nideggen am Niederrhein mit dem Bau einer Festung in der Gabelung von Rhein und Waal. Reste der Festung Schenkenschanz im gleichnamigen Ort existieren heute noch.

 

Ein letztes Mal versuchten im Jahre 1588 die Söldner Truppen des Philipp von Oberstein, auch ein Gefolgsmann des abgesetzten Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg die Stadt Dorsten einzunehmen. Nach den Überlieferungen wurde dieser Angriff vor allem durch die Tapferen Frauen von Dorsten abgewehrt und zwar mit kochendem Wasser, siedendem Öl, Bienenkörben und anderem.

Durch all diese Angriffe auf die damals schon befestigte Stadt Dorsten wurde auch das Umland in Mitleidenschaft gezogen. Im Besonderen auch Kirchhellen mit den umliegenden Bauernschaften. Hier hatten die Aufständischen Truppen einen ihrer Rückzugsgebiete.

1589 kam Martin Schenk bei der Belagerung von Nimwegen um.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Formulierung in einer Lemgoer Zeitung von 10. August 1589:

Martin Schenk zählte zu den wenigen, denen der Ausbruch noch gelungen war, doch misslang der rettende Sprung von der Uferbefestigung auf eine Schute, er stürzte ins Wasser, seine schwere schussfeste Rüstung zog ihn in die Tiefe. „Er ist also ersoffen“.

Zeit des 30-jährigen Krieges

Die Zeit bis zum Ende des 30-Jährigen Krieges war für die Bevölkerung mit Not und Elend verbunden. In dieser Zeit gab es immer wieder Überfälle durch umher ziehende Banden. Erst nach dem so genannten Westfälischen Frieden von 1648 kehrte eine gewisse Ruhe und Ordnung zurück.

Das Schafholen der Dorstener Schützen

Aus Dankbarkeit für die Tatkräftige Hilfe der Dorstener Bürger bei der Verteidigung ihres Hab und Gut versprachen die Kirchhellener alle sieben Jahre, wenn die Schützen in Dorsten nach dem Vogel schössen, ihnen ein Schaf zu geben. Seit dieser Zeit mussten alle Schafhaltenden Bauern des Kirchspiels Kirchhellen zu diesem Anlass ein Schaf liefern.

Die Bauern vergaßen aber später ihre Dankbarkeit und so musste 1752 der Dorstener Stadtrat für die Schützen einen Prozess führen, der erst am 14.Dezember 1762 zu Bonn mit einer Entscheidung zu Gunsten der Dorstener Schützen endete.

Urteilssprung vom 14.Dez 1762 zu Bonn

„Es wird zurecht erkannt, daß, wenn beklagte Junggesellen vermeinen,gegen ein und anderen Recht zu haben, alle sieben Jahre nach dem Vogelschießen ein Schaf zu empfangen, solchenfalls ihnen dieses nicht in Kompanie und bewaffneter Hand, sondern in Güte zu gesinnen, ohnbenommen zu lassen, wenn aber die Güte nicht verfangen wollte, als dann gegen die zum Schafgeben Schuldigen und dieses verweigernden Bauern ihre prätendierte Befugnis im Wege Rechtens auszumachen und zu gestatten.“

Im Juli 1788 nahm eine Dorstener Schützenkompanie bei ihrem Schafholen einen Notar mit, damit er den Vorgang und die Erklärungen der Kirchhellener Bauern zu Protokoll nähme.

Von den 31 Bauern Kirchhellens, bei denen man vorsprach, lieferten nur drei ein Schaf ab, Fünfzehn erklärten, keins geben zu wollen, Dreizehn Entschuldigten sich, augenblicklich keine Schafe zu haben, gestanden aber die Verpflichtung, eins liefern zu müssen, zu. Daraufhin holten die Dorstener Schützen teilweise die ihrer Meinung zustehenden Schafe mit Gewalt ab.

Im Jahre 1804 liefen wegen der gewaltsamen Wegnahme der Schafe bei der Arenbergischen Regierung (das Vest Recklinghausen gehörte zu der Zeit dem Herzog von Arenberg) Beschwerde ein. Daraufhin verbot die Regierung das Schafholen.

Beim Schützenfest 1970 hat man den alten Brauch des Schafholens wieder aufleben lassen. Bei der 4.Übung wurde den Dorstener Schützen symbolisch ein Schaf überreicht.

Mit dieser Geste sollte gleichzeitig auch die gute nachbarliche Beziehung zwischen Kirchhellen und Dorsten bekundet werden.

Verbot aller Schützenfeste im Jahre 1804

Im Jahre 1804 verbietet der Herzog von Arenberg für das gesamte Vest Recklinghausen das Feiern der Schützenfeste. Doch noch im gleichen Jahre erläßt er eine Verordnung, die das Schießen nach dem Vogel regeln sollte. Wahrscheinlich hat man seine Verbote einfach ignoriert, so dass er gute Mine zum bösen Spiel machen mußte, um sich seine „Untertanen“ nicht zu verärgern.


Verordnung des Herzog von Arenberg zur Durchführung von Schützenfeste

Kraft welcher das bisher bestandene feierliche Vogelschießen eingestellt: haben wir in Erfahrung gebracht, daß in Unserem Veste Recklinghausen das Schießen nach dem Vogel oder nach der Scheibe als eine vorzügliche Art, sich zu belustigen, betrachtet werde.

Wir mögen deshalb und weil Wir weit entfernt sind, Unsere getreuen Untertanen in dem, was ihnen Vergnügen verschaffen kann, auf einige Art zu stören oder einzuschränken, zwar mildest geschehen lassen, daß auch auf dem Lande das Schießen nach dem Vogel oder nach der Scheibe fernhin erlaubt bleibe. Wir wollen aber zugleich gnädigst, daß dabei Ordnung und Öffentlicher Anstand beobachtet, alles , was die Sicherheit stöhren und für einzelne nur irgend einige Gefahr hervorbringen kann, entfernt, nicht weniger alle Schwärmerey und Ausschweifung vermiden werden, und machen es demnach den Magistraten in den Städten und den sämmtlichen Obrigkeiten des platten Landes zur besonderen Pficht, zur Schießstätte einen durchaus sicheren Ort bestimmen zu lassen und mit Nachdruck darauf zu wachen, daß aller Unfug, insbesondere das wilde Durcheinanderschießen, unterlassen, außerhalb der Schießstätte durchaus nicht geschossen, vor Sonnenuntergang, selbst dann, wenn der vorgesetzte Zweck noch nicht erreicht seyn sollte, alles Schießen eingestellt, und endlich, ehe von der Schießstätte weggegangen wird, alle Gewehre geleert werden. Wir versehen Uns zu einem jeden, welcher an dieser Belustigung Theil nehmen wird, gnädigst und ernstlich, daß die obengedachten Vorschrifen aufs genauste befolgen werden und verordnen, daß wider diejenigen, welche sich durch Unordnung, Schwärmen, Ausschweifung oder sonstigen Unfug eine Kontravention zu Schulden kommen lassen mögten, mit angemessener Strafe unnachsichtlich verfahren werden solle.

Übrigens ist Unser gnädigster Wille, daß unter diesem Vorwand keine stehenden Gesellschaften sich bilden dürfen, welche eigenes Vemögen besitzen, diejenigen, welche einmal an ihrem Vergnügen Antheil genommen haben, als ständige Mitglieder betrachten oder vollends dritte Personen nöthigen können, zu ihrer Belustigung auf irgend eine Weise mit beizutragen, daß also das bestandene feierliche Vogelschießen ein für alle mal abgeschafft sowie die Schützengesellschaft selbst aufgelöst bleibe.

Wir befehlen demnach, daß diese Unsere Verordnung zu jedermanns Wissenschaft und Nachachtung gehörig bekannt gemacht, auch auf deren pünktliche Befolgung genauestens gewachet und gehalten werde.

Besatzung durch die Franzosen

Im Jahre 1806 besetzten die Franzosen nach ihren Siegreichen Schlachten gegen Preußen auch Westfalen. Die Besetzung durch die Franzosen dauerte jedoch nur wenige Jahre. Nach der vernichtenden Niederlage der Franzosen in der Schlacht von Leipzig im Jahre 1813 mussten diese auch Westfalen wieder räumen.

Im Sommer 1815 erfolgte dann die Bildung der neuen Provinz Westfalen. Der preußische König ernannte Freiherr von Vincke zum Oberpräsidenten und zugleich zum Chefpräsidenten der Regierung in Münster. In dieser Funktion entwickelte Freiherr von Vincke die von den Franzosen aufgebaute Verwaltung weiter. Er verfasste zahlreiche Verwaltungsvorschriften. Maßgeblich war er für den Ausbau der Infrastruktur auch in unserem Raum mit verantwortlich. (Verkehrswege, Schulen, usw.)

Unter anderem legte er fest dass alle Schützenfeste von der Verwaltung genehmigt und die Könige anschließend registriert werden mussten.

So heißt es im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster vom 14.09.1816:

„Vogelschießens überall, wo solche früher stattgefunden hat, wiederauflebe und wo solche noch nicht war, neu eingeführt, auch solche Tage dazu gewählt werden, welche die Erinnerung eines denkwürdigen, dem Orte, dem Lande oder dem Staate teuren Ereignisses heiligt. Es werden die Behörden, besonders die Herren Kreis-Commissarien aufgefordert, solche Angelegenheiten zu befördern, über den Erfolg ihrer desfalsigen Bemühungen in den zu erstattenden Monatsberichten den Königlichen Regierungen Rechenschaft zu geben und nicht nur die Orte, sondern auch die Schützenkönige namhaft zu machen.“

Seitdem gibt es eine Aufstellung der Schützenfeste in der heutigen Form. Dies haben wir dem Freiherr von Vincke zu verdanken.

Verweis auf die Aufstellung der Schützenkönige und Königinnen ab 1824

Die Namen der Könige und Königinnen kann jedoch erst seit dem Jahr 1824 anhand der namentlichen Aufstellungen nachgewiesen werden. Wie viele Schützenfeste bereits vor 1824 in Kirchhellen gefeiert wurden, ist nicht bekannt. Doch das es auch vorher Schützenfeste gegeben hat ist überliefert.

Antrag auf Genehmigung eines Schützenfestes

Die erste schriftliche Nachricht besitzen wir aus dem Jahre 1823, da bittet der damalige erste Bürgermeister von Kirchhellen Tourneau den landrätlichen Kommissar, den Grafen Westerholt, daß es vor den Unglücksjahren und vor der Fremdherrschaft (gemeint ist die Besatzung durch die Truppen Napoleons) Brauch gewesen wäre, alljährlich an einem bestimmten Tage ein Vogelschießen abzuhalten. Alle Hausväter des Kirchspiels hätten sich daran beteiligt und es wäre immer ein schönes Volksfest gewesen.

Nun bestünde der allgemeine Wunsch, diese alte Sitte wieder aufleben zu lassen.

Der Graf Westerholt genehmigte diesen Antrag.

Daraufhin beschließen Kirchhellener Bürger, im darauffolgenden Jahr (1824) ein Schützenfest zu feiern und erläßt folgende Satzung:

1) Wer am Vogelschießen teilnehmen will, muß sich beim Schützenkönig eintragen lassen und den herkömmlichen Beitrag von 7 ½ Stüber. (1 Stüber = 8.3Pfg.)

2) Geschossen wird nach der Nummer der Einschreibeliste. Wer sich den polizeilichen Anordnungen beim Schießen nicht unterwirft, zahlt einen Reichstaler Strafe.

3) Wer sich unordentlich beträgt, wird für immer von dieser Lustbarkeit ausgeschlossen.

4) Jeder verheiratete Mann im Kirchspiel und jeder Familienvorstand kann teilnehmen, wenn er sich einschreiben läßt.

5) Wer den Vogel abschießt, wird König, bekommt eine Prämie von 5 Taler und ist für ein Jahr von allen Gemeindediensten und -lasten mit Ausnahme vom Militärvorspann frei. Ist er ein Bauer oder Pferdekötter, so muß er eine Tonne Bier spenden, ist er Kötter, eine halbe Tonne. Für sich und seine Frau hat er freien Eintritt zum Tanz nach dem Schießen.

Warum gibt es in Kirchhellen eine Schützengesellschaft und keinen Verein.

Diese Frage kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden. Jedoch kann dieser Auszug einen Hinweis darauf geben, der nicht ganz unlogisch wäre:

Auszug aus der Verordnung des Herzog von Arenberg zur Durchführung von Schützenfesten aus dem Jahr 1804:

„Übrigens ist Unser gnädigster Wille, dass unter diesem Vorwand keine stehenden Gesellschaften sich bilden dürfen, welche eigenes Vermögen besitzen, diejenigen, welche einmal an ihrem Vergnügen Antheil genommen haben, als ständige Mitglieder betrachten oder vollends dritte Personen nöthigen können, zu ihrer Belustigung auf irgend eine Weise mit beizutragen, dass also das bestandene feierliche Vogelschießen ein für alle mal abgeschafft sowie die Schützengesellschaft selbst aufgelöst bleibe.“

Unserer Schützenfahne aus dem Jahre 1873 enthält noch die Inschrift Schützenverein.

Die ab 1824 dokumentierten Schützenfeste dauerten ursprünglich vier Tage. Also von Samstag bis Dienstag. Als Beleg dient hierfür ein Plakat zur Ankündigung des Schützenfestes von 1865.

Das Vogelschießen wurde zur damaligen Zeit am Montag und Dienstag durchgeführt. Man spricht hier bewusst von Vogelschießen und nicht von Scheibenschießen. Das Scheibenschießen bei Schützenfesten war auch zu dieser Zeit bereits weit verbreitet. Die vielen Schützenvereine aus dieser Zeit, bei denen das Scheibenschießen zwischen den Schützenfesten auch Wettkampf mäßig betrieben wurde, belegen das.

Das Vogelschießen erfolgte zu dieser Zeit noch mit der Armbrust. Vermutlich dauerte es deshalb so lange einen neuen König zu bekommen, oder man nutzte damit die Gelegenheit das Fest auf diese Weise zu verlängern. Die Kirchhellener Bürger konnten also auch schon zur damaligen Zeit ausdauernd feiern.

Brezelfest

Dies änderte sich jedoch nach den Überlieferungen erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870–1871. Während der Kriegsjahre waren auch aus dem hiesigen Raum zahlreiche Männer zum Kriegsdienst verpflichtet worden.

Ein Fest über vier Tage war der Obrigkeit natürlich ein Dorn im Auge und fortan wurden die Genehmigungen nur noch für drei Tage erteilt.

Die nächsten Schützenfeste nach dem Krieg 1870/71 fanden 1873 und 1877 statt.

Nachdem sich in den folgenden Jahren das Leben in Kirchhellen wieder normalisiert hatte erinnerten sich einige Schützenbrüder am Schützenfest Dienstag 1883 an die alte Tradition vier Tage zu feiern.

Man kann davon ausgehen, dass das Brezelfest, das von nun an gefeiert wurde, durch Schützenbrüder ins Leben gerufen wurde, die auf ihr altes Recht pochten, vier Tage Schützenfest zu feiern.


Historische Unterlage zur Geschichte der Schützengesellschaft Kirchhellen

Durch die Kriegswirren des zweiten Weltkrieges sind fast alle historischen Unterlagen und Dokumente der Schützengesellschaft beschädigt oder zerstört worden. Zur damaligen Zeit wurden fast alle Unterlagen der Bürgerschützengesellschaft im „Alten Amtshaus“ der Gemeinde Kirchhellen aufbewahrt.

Nach einem Bombentreffer kam es zu einem Brand, bei dem Teile des Gebäudes zerstört wurden. Hierbei wurde auch die Schützenfahne stark beschädigt. Die Fahne in der heutigen Ausführung wurde 1970 restauriert.

Auch durch den Einsturz des Kölner Stadt-Archivs  am 3.März 2009 kam es zu einem großen Verlust von wichtigen Dokumenten unserer Zeitgeschichte auch des hiesigen Raumes.

Appel an alle

Wenn jemand historische Unterlagen zu der Schützengesellschaft Kirchhellen besitzt oder weiß wer entsprechende Unterlagen haben könnte, bitten wir um Unterstützung.

Die Bewahrung von Traditionen, aber auch deren weitere Gestaltung sowie der Respekt vor unseren Vorfahren und deren Leistungen sollte auch in der Zukunft ein Grundpfeiler der Allgemeinen Bürgerschützengesellschaft Kirchhellen von 1585 bleiben.

Verfasser: Hubert Hüsken

Quellennachweis:
1 Rottmann/Büning: Führer durch Kirchhellen, 1994 Heft 25 der Schriftenreihe des Orts- und Heimatvereins Kirchhellen
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